Kapitel 8 Den Kern verstehen
Das größte Leadership-Prinzip aller Zeiten
Die längste Reise, die du in deinem Leben machen wirst,
führt vom Kopf zum Herzen.
(Sioux-Sprichwort)
Die Trainerin blättert das Flipchart um. Die 15 Führungskräfte, allesamt gestandene Ingenieure, starren entsetzt auf das blattfüllende rote Herz. Die Trainerin eröffnet mit den Worten: »Lassen Sie uns über Gefühle reden.« Ich höre ein deutliches Knacken im Raum, als alle Anwesenden erstarren. Ich war bei dieser Szene anwesend, und sie ist bezeichnend. Wenn Sie wollen, dass man Sie augenblicklich als inkompetenten Spinner einstuft, sprechen Sie von der Bedeutung der Liebe für die Führung. Dieser Beitrag handelt vom zeitlosen Leadership-Prinzip Nummer eins: Es ist die Liebe!
Kritik – Pressestimmen zu: Der Chef, den ich nie vergessen werde
Warum viele das Prinzip nicht verstehen
Die meisten Menschen deuten den Begriff der Liebe heute sehr eng. Viele verstehen die Liebe als ein Gefühl oder setzen sie sogar mit dem Zustand des Verliebtseins gleich. Insbesondere Letzterer hat mit der Liebe aber wenig zu tun, gleicht er doch eher einem hormonellen Rausch, bei dem wir die Persönlichkeit des anderen nur selektiv (durch die rosarote Brille) wahrnehmen und gleichzeitig all unsere unerfüllten Wünsche auf die andere Person projizieren. Ein erweiterter Begriff versteht Liebe nicht als Gefühl, sondern als eine Geisteshaltung. Einer der wohl größten Weisheitslehrer der Menschheitsgeschichte war Jesus Christus, auch ohne dass man ihn für Gottes Sohn halten muss. Der Weisheitslehrer sagt in seinen Reden mehrfach, man solle seinen Nächsten, ja sogar seine Feinde lieben. Wäre hier mit Liebe das Gefühl gemeint, könnte man dieser Aufforderung unmöglich nachkommen. Unsere Gefühle werden im mittleren limbischen System erzeugt. Ihre Entstehung als Reaktion auf äußere Reize lässt sich mit dem Bewusstsein nicht beeinflussen. Das Bewusstsein kann lediglich wählen, wie es mit den Gefühlen umgeht. Es wäre unmenschlich zu fordern, wir sollten positive Gefühle für einen Menschen erzeugen, für den wir spontan andere Gefühle hegen. Wenn man die Liebe aber als eine Geisteshaltung versteht, ist es durchaus möglich, dem intriganten Managerkollegen, dem charakterlich defizitären Chef oder eben schwierigen Mitarbeitern mit dieser Haltung zu begegnen.
Dass die Liebe kein kurzzeitiges und spontanes Gefühl ist, kann ich Ihnen an einem einfachen Beispiel verdeutlichen. Sie werden es kaum glauben, aber es gibt Zeiten, in denen meine Frau keine sehr angenehmen Gefühle für mich hegt. Da sie mich aber liebt, versucht sie, mir trotzdem geduldig, respektvoll und vergebend zu begegnen. Und zwar auch dann, wenn ich mich mal wieder wie ein Idiot aufgeführt habe und mit der Planierraupe über ihre Gefühle gefahren bin. Wäre die Liebe nur ein Gefühl, würde sie meiner Frau definitiv in regelmäßigen Abständen abhandenkommen.
Ein weiteres Missverständnis bezogen auf die Liebe ist, dass man sie oft mit einem sich außerhalb der eigenen Person befindlichen Objekt verbindet. Man müsste nur den rundum perfekten Partner, den absoluten Traumjob finden, um ihn dann lieben zu können. Erich Fromm widerlegt diese Sichtweise in seinem Weltbestseller Die Kunst des Liebens mit einer anschaulichen Analogie: Wenn jemand malen lernen wolle, sei es sinnlos zu sagen, man warte nur auf das passende Objekt. Wenn man dieses erst einmal gefunden habe, könne man es sicherlich perfekt malen. Malen sei vielmehr eine Aktivität. Man müsse üben, um sie zu erlernen, unabhängig vom Objekt. Genau so ist es mit der Liebe. Diese ist an eine Aktivität gekoppelt, die man wie das Malen üben muss, um darin gut zu werden.
Sie wissen jetzt, dass Liebe kein Gefühl und auch nicht objektabhängig ist. Man kann die Liebe stattdessen als eine Geisteshaltung verstehen. Worin besteht nun diese Haltung und welchen Zusammenhang gibt es zur Führung?
Bitte hier weiterlesen: Was ist der Kern guter Führung?