Kurzkritik
Phil Rosenzweig, Professor am IMD Lausanne und früherer Harvard-Professor, zeigt in diesem brillanten Buch, warum die Untersuchungen von Jim Collins, Peters/Watermann und anderen vermeintlichen Managementgurus letztlich nur nette Anekdotensammlungen liefern, aber keine gesicherten Aussagen über Erfolg und Misserfolg von Managementmethoden oder Strategien zulassen. Rosenzweig zertrümmert mit analytischer Schärfe alle scheinbaren Erfolgsrezepte. Das Buch vermittelt vor allem das kritische Denken. Mit Blick auf diese Kompetenz ist das Buch eine hervorragende Lektüre!
Autor: Phil Rosenzweig
Seiten: 273
Verlag: Gabal
Preis: 30 €
Ausführliche Kritik
Phil Rosenzweig ist seit 2009 Professor am renommierten International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne (Schweiz). Seine vorherigen akademischen Stationen waren Wharton und Harvard. So verwundert es nicht, dass der Autor mit ungemein scharfem Verstand alle bisher gelernten Erfolgsmodelle entlarvt. Er verdeutlicht wissenschaftlich präzise, warum wir in der Deutung von Unternehmenserfolg neun weit verbreiteten logischen Irrtümern unterliegen. Dass er das anspruchsvolle Thema in einer klaren, verständlichen, sehr leicht lesbaren Sprache vermittelt, ist ihm hoch anzurechnen.
Rosenzweig führt zu Beginn aus, dass Menschen einer Illusion der Rationalität anhängen. Sie wollen für alles eine Begründung haben, zum Beispiel dafür, warum ein Unternehmen Erfolg oder Misserfolg hat. Leider unterliegen sie dabei typischen Wahrnehmungsfehlern. Am Beispiel von Unternehmen wie Lego, Cisco und ABB zeigt der Autor, wie sich diese entwickelt haben und wie diese Entwicklung von der allgemeinen Wirtschaftspresse gedeutet und im Laufe der Zeit konträr interpretiert wurde. Parallel dazu verändert sich auch jeweils die Sichtweise auf den CEO. In Zeiten des Erfolgs feierte die Wirtschaftspresse zum Beispiel Percy Barnevik von ABB als »charismatisch, mutig und visionär«, um ihn bei schlechterer Performance des Unternehmens als »arrogant, herrschsüchtig und unempfänglich für Kritik« zu diskreditieren.
Erfolg und Misserfolg von Unternehmen beeinflussen die Deutung vermeintlicher Experten, sagen aber nur begrenzt etwas über die tatsächliche Qualität der Strategie und der Umsetzung aus. Rosenzweig fasst es so zusammen:
»Zwischen dem, was wir tun, und dem, was dabei herauskommt, besteht nur ein loser Zusammenhang. Schlechte Ergebnisse bedeuten noch lange nicht, dass das Management Fehler gemacht hat, wie auch gute Ergebnisse noch lange kein Beweis für die Brillanz des Managements sind.« (S. 214)
Rosenzweig stellt in dem Buch neun Täuschungen vor, wie zum Beispiel den Halo-Effekt, die Verwechslung von Korrelation und Kausalität oder die Verwechslung von Ursache und Wirkung. Es geht ihm bei den Täuschungen stets um den Erfolg des Unternehmens als Ganzes und nicht um das Verhalten von Einzelpersonen. Den angeführten Täuschungen sollte vor allem das obere Management nicht unterliegen, deshalb empfehle ich das Buch für diese Zielgruppe. Wer Bücher wie Jim Collins »Der Weg zu den Besten« (»Good to Great«) gelesen hat, wird bei Rosenzweig lernen, warum diese Bücher lediglich Anekdotencharakter haben und zwar inspirieren können, aber keine echten Kausalitäten aufzeigen. Rosenzweig widerlegt mit präzisen Argumenten all die gängigen Rezepte für Unternehmenserfolg.
Tatsächlich lässt sich Erfolg im Nachhinein immer irgendwie erklären, zum Zeitpunkt der Strategieentwicklung waren diese Vorgehensweisen aber stark risikobehaftet und werden es auch immer bleiben. Auf alle Unternehmen gleichermaßen anwendbare Erfolgsrezepte kann es daher nicht geben. So lauten zwei von Rosenzweigs Kernaussagen zu Unternehmenserfolg und Strategie:
»Wer immer behauptet, die physikalischen Gesetze der Unternehmensführung gefunden zu haben, versteht entweder wenig von Unternehmensführung oder von Physik oder von beidem.« (S. 214)
»Jede Strategie ist mit Risiken verbunden. Wer seine Strategie für idiotensicher hält, ist möglicherweise selbst ein Idiot.« (S. 214)
Dass absolut jede Strategie ein Risiko in sich trägt, liegt an vier Risikoquellen, die man nicht kontrollieren kann. Rosenzweig nennt das nicht vorhersagbare Kundenverhalten (Nachfrage), die unberechenbaren Wettbewerber, nicht absehbaren technologischen Wandel und die schwer einzuschätzende Fähigkeit der Organisation zur Umsetzung der gewählten Strategie.
Nach dem ersten Lesen des Buches blieb ich etwas unzufrieden zurück. Nachdem Rosenzweig alle bisherigen Untersuchungen und deren erklärten Erfolgskriterien für ungültig erklärt hatte, wollte ich wissen, was denn nun stattdessen funktioniert. Und genau dazu liefert er nur eine begrenzte Antwort: Strategie und Ausführung (S. 180) sind die tatsächlichen Erfolgskriterien. Trotzdem kann man das Buch mit Gewinn lesen. Es lehrt obere Manager zum Beispiel, entspannter mit kritischen Behauptungen der Wirtschaftspresse umzugehen. Es zeigt ganz deutlich, dass dauerhafter Unternehmenserfolg eine Illusion ist. Es gab ihn noch nie. Und es lehrt den kritischen Umgang mit den immer wieder wechselnden Managementmoden und Gurus. Dieses Buch ist nicht für Anfänger geeignet, sondern empfehlenswert für das obere Management und begeisterte Leser der Erfolgsliteratur für Unternehmen, deren Autoren hinterher immer schon alles vorher gewusst haben.
Fazit:
Ein sehr gutes Buch mit einer stringenten und gut nachvollziehbaren Logik, die deutlich macht, warum in einer komplexen Welt allgemeine Erfolgsrezepte versagen und wie man gängige Täuschungen vermeidet.
© 2015 Alexander Groth (www.leadershipjournal.de)
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