Im ersten Artikel zum Thema Reflexion sind wir der Frage nachgegangen, wie Sie Ihre Selbstreflexion und damit Ihre Fähigkeiten als Leader kontinuierlich verbessern können. Die Selbstreflexion ist die Basis: Nur wer sich selbst führen kann, kann andere führen. Ein ebenso wichtiger Teil der Führungsarbeit ist die Reflexion über die eigenen Mitarbeiter.
Nehmen Sie sich die Zeit zum Reflektieren
Planen Sie also mindestens einmal im Monat eine Stunde Zeit ein, um sich über Ihre Mitarbeiter Gedanken zu machen. Das klingt banal. Aber nehmen Sie selbst sich diese Zeit tatsächlich? Als Manager sind Sie ein Getriebener. Vier Fünftel Ihrer Zeit wird von anderen bestimmt. Da sind Ihre Mitarbeiter, Ihr Vorgesetzter, Kunden, Managerkollegen oder einfach nur die täglich anfallenden dringenden Probleme, um die Sie sich kümmern müssen. Diesen Forderungen ist schwer zu entkommen, denn viele davon stehen im wahrsten Sinne des Wortes vor Ihnen im Raum.
Nur ungefähr 20 Prozent Ihrer Arbeitszeit bleibt Ihnen zur selbstbestimmten Arbeit. Aber auch diese 20 Prozent sind schnell ausgefüllt mit Dringendem, Administrativem oder dem Zuviel an Mails und Besprechungen, wenn Sie nicht bewusst entscheiden, wie Sie diese nutzen wollen. Diese knappe Zeit ist für Ihre Effektivität als Führungskraft ausschlaggebend. Als Leader ist es Ihre Aufgabe, Menschen zu führen und Bestleistungen zu erzielen. Und genau das setzt Reflexion voraus. Die dafür verwendete Zeit ist Führungsarbeit im besten Sinne.
Wie im Artikel über Selbstreflexion bereits gesagt, empfehle ich das Aufschreiben Ihrer Gedanken. Es hilft dabei, konkret zu werden und auf den Punkt zu kommen. Anhand Ihrer Notizen können Sie außerdem nachvollziehen, wie Sie Ihre Mitarbeiter und deren Entwicklung in den letzten Monaten und Jahren wahrgenommen haben (siehe dazu auch das Lobbuch). Gehen Sie Ihre Mitarbeiter in der Reflexion systematisch der Reihe nach durch und machen Sie sich zu jedem Notizen. Zu Beginn können Sie sich folgende Fragen stellen:
- Wie haben Sie die einzelnen Mitarbeiter in letzter Zeit wahrgenommen?
- Wirken die Mitarbeiter zufrieden und haben sie Spaß an der Arbeit oder nehmen Sie einzelne von ihnen anders wahr?
- Wenn Letzteres der Fall ist: Woran könnte das liegen? Wie haben Sie die Person in letzter Zeit behandelt? Wann haben Sie ihr das letzte Mal ein positives Feedback gegeben?
Zusätzlich sollten Sie sich als Führungskraft drei miteinander verbundene Themen regelmäßig Gedanken im Blick haben:
- Wo liegen die Stärken der Mitarbeiter und wie kann man diese noch besser einsetzen?
- Welchen Mitarbeitern wollen Sie ein positives Feedback geben?
- Wie wollen Sie einzelne Mitarbeiter entwickeln, um Ihre wichtigsten Stellen auch in Zukunft gut besetzen zu können?
Reflektieren Sie über Stärken und Schwächen der Mitarbeiter
Ein wichtiges Prinzip der Leistungsorientierung ist das stärkenorientierte Führen. Um Ihre Mitarbeiter ihren Stärken entsprechend einzusetzen, müssen Sie diese bewusst wahrnehmen und als Stärken identifizieren. Es fällt uns leicht, die Schwächen von Menschen festzustellen. Diese fallen Ihnen von alleine auf, denn sie strapazieren täglich Ihre Nerven. Wenn jemand zum Beispiel nicht gut mit Kunden umgehen kann, werden Sie das schnell mitbekommen, sobald Sie nur einmal danebenstehen. Bei Stärken ist das anders. Diese nehmen Sie im Gegensatz zu den Schwächen keineswegs automatisch wahr, sondern nur durch gezieltes Beobachten und vor allem durch Reflexion. Viele Vorgesetzte sind kaum in der Lage, die Stärken ihrer Mitarbeiter zu benennen.
Wichtig ist: Wenn ein Mitarbeiter aufgrund Ihrer Reflexion in Zukunft 10 Prozent seiner Arbeitszeit mehr stärkenorientiert arbeitet als bisher, dann macht das einen riesigen Unterschied für die Motivation und die Leistung. Wenn der Mitarbeiter in Zukunft jeden Tag eine Dreiviertelstunde lang etwas tun kann, was er bisher nicht getan hat und was ihm Spaß macht sowie positives Feedback und Erfolg einbringt, dann hat er jeden Tag etwas, worauf er sich freuen kann. Diese zehn Prozent bewirken viel mehr, als die Zahl es vermuten lässt und sie sind in nahezu jedem Umfeld umsetzbar.
Folgende Fragen können Sie sich in Bezug auf Stärken stellen:
- Welche Aufgaben fallen einem Mitarbeiter besonders leicht?
- Bei welcher Aufgabe hat sich die Person in der Vergangenheit mit besonders guter Leistung hervorgetan?
- Welche Stärke (= Talent + Wissen + Können) könnte der sehr guten Leistung zugrunde liegen?
- Welche ähnliche Aufgabe kann ich der Person geben, um mir klar darüber zu werden, ob es sich wirklich um eine Stärke handelt und die gute Leistung wiederholbar ist?
Stellen Sie sich folgende Fragen, um eine erkannte Stärke zu fördern:
- Wie kann ich die Stärke des Mitarbeiters bei seinen bisherigen Aufgaben noch mehr zur Geltung bringen?
- Welche neuen Aufgaben will ich dem Mitarbeiter übertragen, um die Stärke zu nutzen oder weitere vermutete Stärken zu überprüfen?
- Wie kann ich die Arbeit des Teams umstrukturieren, damit dieser Mitarbeiter zehn Prozent seiner Zeit zusätzlich im Bereich seiner Stärken arbeiten kann?
- Welche Aufgaben kann der Mitarbeiter abgeben, um noch mehr stärkenorientiert zu arbeiten?
- Wo hat er Schwächen? Kann er hier durch andere sinnvoll entlastet werden?
Wenn Sie mehr über das stärkenorientierte Führen und die entsprechenden Techniken erfahren möchten, empfehle ich Ihnen als handliche und auf das Wesentliche konzentrierte Einführung mein Buch »Stärkenorientiertes Führen«.
Reflektieren Sie über positives Feedback für Ihre Mitarbeiter
Zu den besten Möglichkeiten zur Mitarbeitermotivation gehören Lob und Anerkennung. Für Deutschland ergaben mehrere Untersuchungen, dass nur jeder dritte Berufstätige den Eindruck hat, seine Arbeit werde anerkannt. Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass der Wunsch nach Anerkennung und Bedeutsamkeit einer der stärksten Antriebe des Menschen ist. Hier wird ein enormes Potenzial verschenkt! Sprechen Sie Lob und Anerkennung also nicht nur alle Schaltjahre aus, »wenn’s gerade mal passt«.
Geben Sie strukturiert und regelmäßig Rückmeldung:
- Welcher Ihrer Mitarbeiter hat in der letzten Zeit eine für ihn oder sie außergewöhnliche Leistung erbracht? Welches Feedback wollen Sie geben?
- Wer hat eine langfristig gute Leistung erbracht und ist dafür von Ihnen schon länger nicht mehr gelobt worden? Welches Feedback wollen Sie geben?
- Gibt es Mitarbeiter, denen Sie in den letzten vier Wochen keine Rückmeldung zu ihrer Arbeit gegeben haben? Woran liegt das? Welches Feedback wollen Sie Ihnen geben?
Was Sie mit positivem Feedback erreichen können und wie Führungskräfte in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern dastehen, finden Sie im Artikel »Lob und Anerkennung« im LeadershipJournal.
Reflektieren Sie die Entwicklung Ihrer Mitarbeiter
Gute und leistungsfähige Mitarbeiter wollen sich weiterentwickeln, Neues lernen und entdecken. Leider gehen viel zu wenige Vorgesetzte die Ausbildung und Entwicklung ihrer Mitarbeiter strukturiert und gezielt an. Ich empfehle daher: Notieren Sie sich alle wichtigen Stellen, die Sie in Ihrem Verantwortungsbereich haben, und überlegen Sie, wer als Nachfolger/in für eine bestimmte Stelle infrage kommt. Es spielt dabei keine Rolle, ob diese Position in absehbarer Zeit frei wird oder nicht. Wenn Sie Stelle und eine geeignete Person ausgewählt haben, können Sie sich folgende Fragen stellen:
- Was muss diese Person noch lernen, um die Stelle zukünftig ausfüllen zu können?
- Welche Aufgaben will ich der Person übertragen, anhand derer sie das lernen kann?
- Wie kommuniziere ich das gegenüber der Person?
Warum die Entwicklung von Mitarbeitern auf die wichtigsten Stellen Spitzenleistungen fördert, ist Thema des Artikels »Führungskräfteentwicklung mit Methode«, dessen Inhalte auch auf die Entwicklung von Mitarbeitern übertragbar sind.
Fragen zur Umsetzung
- Hätten Sie selbst gern einen Chef oder eine Chefin, welche sich die oben genannten Fragen zur Reflexion einmal im Monat stellt und entsprechend handelt?
- Finden Sie eine Stunde im Monat angemessen für die systematische und schriftliche Reflexion über Ihre Mitarbeiter? Halten Sie die Reflexion für lohnend?
- Wenn Ihre Antwort auf die letzte Frage »Ja« ist: Setzen Sie das bereits konsequent jeden Monat in schriftlicher Form um?
Die regelmäßige und schriftliche Reflexion ist bisher nicht Teil Ihrer Führungsroutine? Mein Tipp: Setzen Sie sich einen Termin innerhalb der nächsten drei Tage und beginnen Sie einfach. Sie werden feststellen, dass es Ihnen von Mal zu Mal leichter fällt und sich deutliche positive Veränderungen in Motivation und Leistung zeigen.
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