3 Philosophen, die Helmut Schmidt beeinflusst haben
In seinem Buch »Was ich noch sagen wollte« erzählt der Elder Statesman Helmut Schmidt, wie sein Onkel Heinz ihm zur Konfirmation die Selbstbetrachtungen von Marc Aurel schenkte, die er noch am selben Tag zu lesen begann und dessen Autor ihm zum Vorbild wurde. In den Worten von Schmidt: »Vor allem die beiden Tugenden, die Mark Aurel in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen rückt, sprachen mich auf der Stelle an: die innere Gelassenheit und die bedingungslose Pflichterfüllung. Wobei ich damals allerdings noch nicht so weit war, zwischen dem Prinzip der Pflichterfüllung und der Pflicht selbst zu unterscheiden. Die Forderung, seine Pflicht zu erfüllen, lässt offen, in welchem konkreten Handeln die Pflicht besteht, und ist deshalb, für sich genommen, keine wirkliche Hilfe.«[ii]
So gehört es sicher zu den Pflichten einer Regierung, das eigene Volk zu schützen. Das Beispiel des NATO-Doppelbeschlusses zeigt aber sehr deutlich, dass die Art der Umsetzung sehr unterschiedlich gesehen werden kann. Bei der Geisteshaltung der Gelassenheit ist das schon einfacher, denn diese lässt sich auf jede Situation übertragen. Wie trifft man nun die richtige Entscheidung, wie die eigene Pflicht zu erfüllen sei?
Hier kommt ein weiteres Vorbild von Schmidt ins Spiel, nämlich Immanuel Kant. Über diesen schreibt er: »Kant verkörpert für mich das idealistische Prinzip einer unbedingten, weder durch Eigeninteressen noch durch Opportunismus verzerrten Pflichtauffassung.«[iii] Jeder Mensch habe die Aufgabe, die von ihm mit Hilfe des Verstandes erkannte sittliche Pflicht umzusetzen. Kant stellt hier ein Ideal auf, das es anzustreben gilt. Schmidt überträgt das Kantsche Ideal der Pflichterfüllung auf den Politiker, wenn er schreibt: »Ein Politiker darf sein Handeln nicht von der Meinung anderer abhängig machen und hat jede Form des Opportunismus zu meiden. Wenn er alle Folgen abgewogen hat, soll er den Mut aufbringen, das als richtig Erkannte durchzusetzen. So erfüllt er seine sittliche Pflicht in Achtung vor dem Gesetz.«[iv] Dem im Kantschen Sinne idealen Politiker kann man im echten Leben nie ganz entsprechen, Schmidt hat sich aber bemüht, sich diesem anzunähern. Auch ein Leader sollte sich diesen Maßstab setzen, den als richtig erkannten Weg mutig zu gehen. Es bleibt die Frage, welchen Maßstab man bei der Umsetzung der Pflicht zugrunde legen soll.
Hier nennt Schmidt Marcus Tullius Cicero als ein weiteres Vorbild. So schreibt er: »›Salus publica suprema lex‹ [Das Wohl des Volkes ist oberstes Gesetz, A. G.] wurde mir zu einer wichtigen Maxime des politischen Handelns. Ich möchte den Satz jedem Politiker ans Herz legen. Jeder, der politische Verantwortung trägt, muss eine Entscheidung letzten Endes unter diesem Gesichtspunkt treffen: Dient das, was ich will, dem allgemeinen Wohl, welche Interessen stehen dagegen, kann ich meine Entscheidung nach Abwägen aller Argumente verantworten?«[v]
Ein Politiker hat sich also am Allgemeinwohl zu orientieren. Ein Leader sollte neben dem Allgemeinwohl bzw. der Gesellschaft sicher auch Mitarbeiter, Kunden und Shareholder als wichtige Gruppen im Blick haben. Gute Politiker und gute Leader zeichnen sich aber durch eine klare Gemeinsamkeit aus: Sie sind keine Opportunisten, sondern stellen das Wohl der für sie wichtigen Gruppen im Zweifelsfall über die eigenen Bedürfnisse. Auch in schweren Zeiten bei politischem Gegenwind an den eigenen Idealen festzuhalten und den als richtig eingeschätzten Weg zu gehen, erfordert klare Werte. Diese Werte müssen sich bilden, sie entstehen nicht aus dem Nichts. Das Studium von Aurel, Kant und Cicero haben bei Helmut Schmidt dazu beigetragen.
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[i] Schmidt, Helmut: Außer Dienst – Eine Bilanz, 4. Aufl., München 2010, S. 165.
[ii] Schmidt, Helmut: Was ich noch sagen wollte, 6. Aufl., München 2016, S. 23 f.
[iii] Ebenda S. 157.
[iv] Ebenda S. 158.
[v] Ebenda S. 185.
Copyright Foto Helmut Schmidt: Bundeswehr
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